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MZ: Wieder in den Alltag finden

Text: Marcel Duclaud, Mitteldeutsche Zeitung , 23.12.2021

Foto: Chefärztin Dr. med. Gabriele Karanis und Ärztlicher Direktor Dr. med. Alexander Schmidt haben das Konzept maßgeblich entwickelt

Gabriele Karanis weiß, was Long Covid bedeutet. Die Chefärztin Orthopädie beim Eisenmoorbad in Bad Schmiedeberg ist selbst betroffen. Sie erkrankte vor etlichen Monaten an Covid-19 und räumt ein: „Ich habe immer noch Beschwerden.“ Ins Detail möchte die Medizinerin nicht gehen. Was ihr allerdings geholfen habe, das sei eine vierwöchige Rehabilitation gewesen. Die trug maßgeblich dazu bei, wieder in den Alltag zu finden. Man müsse die Funktionseinschränkungen nicht machtlos hinnehmen, sagt sie.

Voraussetzungen in Bad Schmiedeberg sind gegeben
Nicht zuletzt ihre eigenen Erfahrungen haben die Ärztin bewogen, an einem Konzept mitzuarbeiten. Das liegt nun frisch vor und ist am Dienstag an die Kostenträger geschickt worden - das können Rentenversicherung, Berufsgenossenschaft oder Krankenkasse sein.
Die Eisenmoorbad Kur GmbH möchte ein Rehabilitationsangebot für Long-Covid-Patienten unterbreiten. Der ärztliche Direktor Alexander Schmidt und Gabriele Karanis haben das Papier federführend erstellt, beteiligt war das gesamte Team, das letztlich in die Therapie eingebunden würde, wenn denn die Kostenträger Ja sagen.
Die Voraussetzungen sind jedenfalls gegeben, um in Bad Schmiedeberg Menschen zu behandeln, die an den fatalen Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung leiden. „Wir haben einen langen Erfahrungsschatz und die Reputation bei der Rehabilitation“, betont Kur-Direktor Deddo Lehmann. Die kurörtliche Infrastruktur sei ebenso gegeben wie ein breites Therapiespektrum. Er verweist unter anderem auf die Salzerlebniswelt und das neue Gradierwerk, beides hilft etwa bei Atemwegserkrankungen.
Dass der Bedarf immens ist, hat gerade eine Studie der Mainzer Universitätsmedizin deutlich gemacht. Danach haben rund 40 Prozent der mit dem Coronavirus infizierten Menschen mehr als ein halbes Jahr long-covidartige Symptome. Das betrifft nicht allein Patienten mit schweren Krankheitsverläufen, sondern auch jene mit milden oder sogar asymptomatischen Verläufen. Einem Drittel soll die Erkrankung nicht einmal bewusst gewesen sein. Schmidt sagt: „Es hängt nicht zusammen mit dem Ausmaß der Ursprungserkrankung.“

Halbe Million Menschen betroffen
Die Chefärztin und der ärztliche Direktor sprechen von etwa einer halben Million Menschen in Deutschland, die an Long Covid oder Post Covid leiden. Dass manche auch nach über einem Jahr noch nicht wieder erwerbstätig sind, bemerkt Gabriele Karanis. Sie verweist zudem darauf, dass die Medizin bei der Erforschung der Ursachen noch nicht allzu weit gekommen sei.
Die Symptome unterdessen sind teils gravierend. Sie seien vielfältig und unspezifisch, erklären die beiden Bad Schmiedeberger Ärzte, die mit Long-Covid-Betroffenen bereits vereinzelt zu tun hatten - bei Kur-Patienten, die aus anderen Gründen eine Reha absolvieren, aber eben auch an Corona erkrankt waren. Allgemeine Schwäche gehöre dazu, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfweh, Übelkeit und Erbrechen, neurologische Erscheinungen wie Sensibilitätsstörungen an Händen und Füßen, Lähmungserscheinungen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnis- und Schlafprobleme, Wortfindungsstörungen, Riech- und Geschmacksstörungen. Nach den Erfahrungen der Chefärztin können die Symptome „anhaltend bestehen oder auch neu auftreten“, manchmal erst nach einem längeren Zeitraum.

Schnelle Umstetzung ist möglich
Sollten die Kostenträger ihre Zustimmung geben, könnten die ersten Long-Covid-Patienten bereits zwei/drei Wochen später in Bad Schmiedeberg aufgenommen werden. „Wir haben das Potenzial“, sagt der Kur-Direktor. Es seien lediglich einige organisatorische Veränderungen nötig. Durch den Rückgang der Operationen in den Kliniken gebe es ohnehin weniger Patienten.
Das interdisziplinäre Team wäre vorbereitet. „Wir haben die nötigen Module, aus denen wir uns bedienen können“, sagt Gabriele Karanis und erwähnt etwa Psychologen, Ergotherapeuten oder die Mittel für diagnostische Untersuchungen. Sie sagt auch: „Meine Erkrankung war ein Anstoß, das Konzept hier zu entwickeln. Es wäre toll, das umsetzen zu können.“

 

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